Wie erkenne ich Lawinengefahr bei Skitouren und was tue ich dagegen?

Lawinengefahr einschätzen ist bei Skitouren überlebenswichtig. Wer gut vorbereitet ist, kann Risiken früh erkennen und bewusst reagieren.

Warum ist Lawinengefahr bei Skitouren so tückisch?

Weil sie oft unterschätzt wird. Die Sonne scheint, der Pulverschnee glitzert, und die Spur führt verlockend in einen unberührten Hang – doch gerade das kann gefährlich werden. Lawinengefahr ist nicht immer offensichtlich. Sie entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel aus Wetter, Schneedecke, Hangneigung und Tageszeit. Ein harmloser Hang am Morgen kann nachmittags zum Risiko werden.

Viele Unfälle passieren, obwohl die Warnzeichen da waren – sie wurden nur nicht richtig erkannt oder ignoriert. Und das passiert nicht nur Anfänger:innen. Auch routinierte Tourengängerinnen wie mein Kollege Marcel standen schon plötzlich vor einem Schneebrett, das sich wie aus dem Nichts löste. Sein Glück: Er hatte vorher die Notfallausrüstung aktiviert. Ohne die, sagte er, hätte es böse enden können.

Woran erkenne ich erhöhte Lawinengefahr?

Ein Blick auf den aktuellen Lawinenlagebericht ist Pflicht – ja, auch wenn’s am Vorabend schon getan wurde. Wetterumschwünge in den Alpen gehen manchmal schneller als dein Espresso durchläuft. Achte auf Warnstufen 3 oder höher – da ist Zurückhaltung angesagt.

Typische Hinweise auf akute Lawinengefahr:

  • Frischer Triebschnee: Besonders nach starkem Wind oder Neuschnee.
  • Knack- oder Wummgeräusche beim Gehen: Zeichen für instabile Schneeschichten.
  • Risse rund um die Ski: Deutet auf eine belastete Schneedecke hin.
  • Lawinenabgänge in der Umgebung: Ein offensichtliches Warnsignal, das oft unterschätzt wird.

Ein Skitourenfreund hat mir mal erzählt, dass er dachte, ein kleinerer Lawinenabgang am Vortag sei „nicht der Rede wert“. Am nächsten Tag wurde er Zeuge eines grossen Schneebretts im Nachbarhang – zum Glück aus sicherer Entfernung.

Wie verhalte ich mich bei erhöhter Gefahr?

Einfach gesagt: Nicht übermütig werden. Geh lieber eine Tour im Wald oder flacherem Gelände. Dort sind Lawinen seltener, und du kannst trotzdem frische Luft schnappen.

Wenn du trotzdem ins Gelände willst: Nutze einen Plan B und notiere Alternativrouten. Vermeide Hänge über 30° Neigung. Ja, die Aussicht da oben ist schön – aber noch schöner ist’s, am Abend gesund zurückzukommen. Und nein, das LVS-Gerät ist kein Freifahrtschein.

Viele unterschätzen auch die Gruppendynamik. Du willst niemanden ausbremsen? Doch. Genau das solltest du – wenn dein Bauchgefühl „nein“ sagt. Denn lieber bist du der Vorsichtige, als dass dich jemand später als Helden posthum erwähnt. 😉

Welche Ausrüstung ist bei Lawinengefahr unverzichtbar?

LVS, Sonde, Schaufel – das Lawinentrio muss immer mit. Wirklich: immer. Und zwar funktionstüchtig, vollständig und jeder in der Gruppe. Wer denkt „Ich laufe eh nur hinterher“, sollte lieber gleich zu Hause bleiben. Keine Ausrede zählt, wenn’s um Minuten geht.

Dazu empfehlenswert: Lawinenairbag-Rucksack. Klar, teuer – aber was kostet dein Leben? Und ein Erste-Hilfe-Set sollte sowieso zur Standardausrüstung gehören.

Kurztabelle zur Pflichtausrüstung bei Skitouren mit Lawinenrisiko:

AusrüstungsteilZweckWichtigkeit
LVS-GerätOrtung verschütteter PersonenAbsolut notwendig
LawinensondePräzises Orten in der TiefeUnverzichtbar
LawinenschaufelAusgraben von VerschüttetenLebensrettend
Airbag-Rucksack (optional)Kann beim Mitreissen helfenSehr sinnvoll
Erste-Hilfe-SetVersorgung bei VerletzungenPflicht
Handy & KartenmaterialOrientierung & NotrufEbenfalls wichtig

Gibt es Faustregeln zur Lawineneinschätzung?

Ja – sie ersetzen keine Ausbildung, helfen aber im Gelände.

Eine der bekanntesten: 3×3-Methode von Werner Munter:

  1. Planung: Vor der Tour Lawinenlagebericht und Wetter checken.
  2. Geländebeurteilung: Neigung, Exposition, Geländeformen.
  3. Gruppenentscheidungen: Verhalten, Abstände, Kommunikation.

Oder einfacher: Wenn mehr als ein Warnzeichen sichtbar wird – zurückziehen.

Was mache ich im Ernstfall?

Ruhe bewahren – leichter gesagt als getan, klar. Aber genau das rettet Leben. Wenn du jemanden beobachtest, der mitgerissen wird: Position merken, nicht hinterherlaufen, sondern sofort Notruf absetzen (Nummer 112 in der Schweiz).

Dann LVS aktivieren, Sonde auspacken und graben. Jede Sekunde zählt. Und ganz ehrlich: Wer das noch nie geübt hat, wird im Ernstfall überfordert sein. Also regelmässig trainieren – mit der Tourengruppe oder im Lawinenkurs.

Kann ich Lawinengefahr einschätzen lernen?

Ja, aber es braucht Zeit und Erfahrung. Kurse von Schweizer Bergführern, der Lawinenpräventionsdienst oder Apps wie „White Risk“ helfen enorm weiter. Es ist ein Lernprozess – keiner wird als Lawinenprofi geboren. Aber wer nicht lernt, bleibt ewig Anfänger. 😉

Was viele übersehen: die Gruppendynamik

Oft ist es nicht das Wissen, das fehlt, sondern der Mut, es anzuwenden. Du siehst etwas, das dir komisch vorkommt – sag’s. Auch wenn du „nur der Anfänger“ bist. Denn Erfahrung schützt nicht vor Fehlentscheidungen.

Ich habe mal eine Gruppe gesehen, die diskutierte, ob sie einen steilen Hang queren soll, obwohl der Wind zugenommen hatte und die Sonne gerade draufknallte. Eine einzige kritische Stimme in der Runde hätte gereicht – aber es blieb still. Manchmal ist es das Schweigen, das gefährlich wird.

Typische Fehler bei der Einschätzung von Lawinengefahr

  • Zu spätes Starten: Die Sonne verändert den Schnee.
  • Fehlender Abstand in der Gruppe: Punktbelastung erhöht das Risiko.
  • „Wir sind eh zu fünft – da ist schon einer schnell genug zum Retten.“ So funktioniert Lawinenrettung leider nicht.
  • Kein Plan B: Wer keine Alternative im Kopf hat, entscheidet oft unter Stress falsch.

Häufige Fragen zur Lawinengefahr bei Skitouren

Wie oft sollte ich den Lawinenlagebericht checken?
Täglich – idealerweise morgens vor der Tour und ggf. nochmals kurz vorher. Wetterumschwünge kommen oft überraschend.

Was ist der Unterschied zwischen Warnstufe 2 und 3?
Stufe 2 heisst „mässig“, Stufe 3 „erheblich“. Schon bei Stufe 3 ist Zurückhaltung angesagt – die meisten Unfälle passieren bei dieser Stufe.

Kann ich auf flachen Hängen sicher sein?
Jein. Flache Hänge unter 30° sind grundsätzlich sicherer – aber Lawinen aus dem Nachbarhang können trotzdem gefährlich werden.

Was tun, wenn ich Anzeichen für frischen Triebschnee sehe?
Route wechseln, sicheren Rückweg überlegen, ggf. abbrechen. Triebschnee ist einer der häufigsten Auslöser für Lawinen.

Braucht man auch bei leichter Tour ein LVS-Gerät?
Ja. Es geht nicht nur um dich – auch andere könnten dich retten müssen oder umgekehrt.

Wie trainiere ich richtig für den Ernstfall?
Lawinenkurse besuchen, mit erfahrenen Leuten unterwegs sein, und regelmäßig LVS-Suchübungen machen – am besten unter realistischen Bedingungen.

Schreibe einen Kommentar